Wie bewegen wir uns in Zukunft fort?
Interview mit Energieforscher Christoph Bertram
Zu Fuß, per Rad, mit den Öffis, im Auto oder Flugzeug – jeden Tag entscheiden wir, wie wir uns fortbewegen. Für die Zukunft gilt es, klimafreundliche Konzepte und Reiseformen zu finden.
Christoph Bertram, Energieforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erzählt im Interview, wie nachhaltige Mobilität gelingen kann.
Was zeichnet sich ab? Fahren wir in Zukunft noch Auto?
Der Pkw wird weiterhin eine Rolle spielen, je ländlicher die Gegend und je größer die Distanzen, umso mehr. Immer mehr Autos laufen elektrisch. Die Auswahl an deutschen Anbietern von E-Autos wird zunehmend größer – so wird die Verbindung zur lokalen Industrie gelingen. Im ländlichen Raum ist es darüber hinaus eine günstige Option, Autos mit Sonnenenergie vom eigenen Dach zu laden. So werden E-Fahrzeuge mehr und mehr unser Straßenbild prägen. Gleichzeitig sollten wir schon allein aus Gesundheitsaspekten wieder mehr Wege auch zu Fuß und per Rad zurücklegen. Elektroräder sind für viele Menschen eine aktive und angenehme Form der Fortbewegung geworden – für kurze Strecken, für Besuche oder um einzukaufen.
Weitere Trends?
Aktuell wird es den Verbraucher:innen nicht einfach gemacht, eine Vielzahl von Angeboten gleichzeitig zu nutzen. Dennoch: Der Markt für gemischte Mobilitätsnutzer:innen wird größer. Es kommt zu individuellen Mobilitätsprofilen und Kombis aus E-Bike, ÖPNV, Carsharing etc. Neue Autos werden in vielerlei Fällen per App, also ohne Schlüssel zugänglich sein … das vereinfacht die Nutzung mit mehreren Leuten.
Carsharing ist doch eher was für die Stadt, oder?
Tatsächlich scheitern Carsharing-Angebote im ländlichen Raum momentan noch häufig, schlicht weil die kritische Masse an Nutzer:innen fehlt. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Elektrifizierung von Pkw wird das aber in Zukunft wirtschaftlich attraktiver und auch einfacher möglich sein.
Was bedeutet nachhaltige Mobilität?
Mobilität ist nachhaltig, wenn alle Stoffströme im Kreislauf stattfinden können, sprich: Treibstoffe, bzw. die Antriebsenergie, aus regenerativen Energien stammen und die eingesetzten Rohstoffe technisch wieder aufbereitbar sind, um sie erneut zu verwenden. Eine Kreislaufwirtschaft ist aktuell auch mit E-Autos noch nicht vollständig realisierbar. Sie geben aber grundsätzlich die Möglichkeit dazu – im Gegensatz zu Verbrennungsfahrzeugen, die prinzipiell Rohstoffe verbrauchen.
Darüber hinaus muss man den Begriff Nachhaltigkeit breiter betrachten und sehen, was Fremdauswirkungen sind: Ist die Lärmbelästigung in angemessenem Rahmen? Sind Platzbedarf und Nutzung im Einklang?
… die Produktion von Batterien für E-Autos kann nachhaltig sein?!
Ein Hauptproblem sind hier die Abbaubedingungen für importierte Rohstoffe aus bestimmten Ländern. Diese sind aber nicht exklusiv für die E-Mobilität Thema, sondern auch für Computer, Baustoffe etc. Hier wären Vorgaben vom Gesetzgeber wichtig – bezüglich Dokumentation und Aufbereitung. Die EU ist da am Voranschreiten. Doch im Moment interessiert ein Wiederverwerten nicht, weil selbst begrenzt verfügbare Rohstoffe noch viel zu billig sind. Auf lange Sicht muss, wer ein E-Auto fertigt, auch die vollständige Dokumentation der Rohstoffe bieten – plus ein Konzept zur Wiederaufbereitung und Rückführung der Batterie und aller verwendeten Stoffe.
» Ein Transatlantikflug ist nachhaltig nur alle zehn Jahre drin. «
Was ist mit Wasserstoff als Treibstoff?
Wasserstoff arbeitet effizienter als ein Verbrennungsmotor, aber nicht so effizient wie Batterien. Außerdem ist Strom – ähnlich den jetzigen Tankstellen – flächendeckend verfügbar und man kann jederzeit laden. Ein dichtes Netz aus Wasserstoff-Tankstellen ist dagegen extrem teuer und kaum denkbar. Auch für Lkw spricht daher immer mehr die Batterie als der Wasserstoff.
Wie sieht’s mit Flugreisen aus?
Flugverkehr wird auf jeden Fall teurer werden müssen. Die aktuellen Preise spiegeln nicht wieder, was an Kosten und Umweltschäden verursacht werden, und man zahlt auch kaum Steuern. Reisende werden bei angepassten Preisen auch ihre Flugreisen wieder bewusster planen – das bedeutet z. B. mehr Beschäftigung mit dem Reiseland oder der Stadt und längere Zeiträume am Zielort.
Eine vierköpfige Familie möchte in den Urlaub fliegen. Wie oft wäre verträglich?
Hier können wir mit 1.000 km pro Jahr pro Kopf als global gerechten und nachhaltigen Durchschnitt weiterüberlegen: Nachhaltig wäre demnach alle drei bis vier Jahre eine Flugreise innerhalb Europas. Alternativ ist ein Transatlantikflug nachhaltig nur alle zehn Jahre drin.
Es spricht vieles dafür, dass sich die E-Autos komplett durchsetzen und nach und nach andere verdrängen. Die Menschen werden sich zunehmend in persönlichen Mobilitätsprofilen bewegen und gemäß ihres Bedarfs und ihrer Gewohnheiten Bewegungsformen kombinieren und Fahrzeuge teilen. Fliegen muss und wird wieder eine höhere Wertschätzung zukommen, auch in Form der Kosten. So werden Flugreisen weniger und bewusster genutzt werden.
Was kann ich tun?
Durchschnittlich steht ein Auto 90 Prozent der Zeit geparkt da, oft entspricht die Größe des Autos nicht dem Bedarf, Flugreisen sind häufig zu kurz …
Hier einige Ideen für nachhaltige Mobilität:
- Kurze Strecken zu Fuß, mit Fahrrad/E-Bike
- Auto: klein statt groß, eins statt zwei
- Autos gemeinsam nutzen
- innerdeutsche Strecken mit dem Zug reisen
- Flugreisen bewusster planen, länger bleiben